Lakagígar
Die Laki-Krater auf Island
Über den Ausbruch der Laki-Spalte in den jahren 1783 & 84 und welche Auswirkungen der Ausbruch auf Island hatte.
Historie
Wir können heute auf eine recht genaue Beschreibung der Auswirkungen der Laki-Eruption in den Jahren 1783 bis 1784 zurückblicken, weil damals im Süden Islands ein naturverbundener Prediger lebte, Jón Steingrímsson. Jón haben wir eine schriftliche Aufzeichnung der Ereignisse zu verdanken, die man in Forschung und Literatur immer wieder herangezogen hat.
Ich beziehe meine Beschreibung aus der Sicht von Jón aus den Büchern »Island on Fire« von Alexandra Witzke & Jeff Kanipe, Pegasus Books 2014 und »A Mist Connection« von Katrin Kleemann, De Gruyter 2023.
Bis heute gilt diese Spalteneruption als eine der größten dokumentierten Eruptionen auf Island. Sie ist bemerkenswert in der Menge der ausgestoßenen Lava und giftigen Gase, der Dauer der Eruption und vor allem der Auswirkungen weit über Island hinaus.
Namensgeber war übrigens der über 800 m hohe Vulkan Laki, der schon lange vorher (4550 vor Christi Geburt) an dieser Stelle ausgebrochen war und an dessen Flanken sich die Spalten der Laki-Vulkane öffneten. Er selber war nicht wieder aktiv geworden. Auf Island hat sich nicht nur der Name Lakagígar sondern auch und vor allem der Name Skaftáreldar (Skaftá Feuer) festgehalten, weil die erste Sichtung der Lavafontänen beim Skaftá erfolgte und der erste Verlauf der Lavaströme direkt mit dem Fluss in Verbindung stand.
Die Frühphase
Im Mai 1783 bemerkten die Bewohner der Ortschaft Kirkjubæjarklaustur (im weiter nur kurz Klaustur genannt) eine Vielzahl von Erdbeben und blauer Rauch zog durch die Luft.
Am 8. Juni sahen die Anwohner erste Feuer am Himmel nördlich von Klaustur.
Immer wieder fiel Asche vom Himmel und Nebelwolken zogen von Norden heran.
Die Tage drauf fiel weiterhin Asche vom Himmel und es legte sich Dunkelheit über die Landschaft. Nebel und Regen zeigte sich ätzend und reizte Augen und die Haut.
Ab dem 9. Juni begann der Fluss Skaftá auszutrocknen.
10. Juni 1783 wurden merkwürdige, trockene Nebelwolken in Bergen & Trondheim in Norwegen aufgezeichnet.
Die 1. aktive Ausbruchphase
12. Juni 1783. Nachdem zurvor das Wasser im Fluss Skaftá ausgeblieben war, kam plötzlich Lava durch die Skaftá-Schlucht, die westlich von Klaustur lag. Sie floss schnell und strömte in die Feuchtgebiete und andere kleinere Flüsse. Die Verbindung mit Wasser führte immer wieder zu Explosionen. Zunächst folgte die Lava dem Flussbett, doch schon später kam sie über das Flussufer und verteilte sich auf alten Lavaströmen, auf Weiden und Farmland.
Am 14. Juni fiel Asche vom Himmel. Jón schrieb: »Sie war blau-schwarz und glitzernd, so lang und dick wie Haar von Seehunden.« Was Jón damals beschrieb, nennen Vulkanologen heute »Pele Haar« — dünne Bänder vulkanischen Glases, die von geschmolzenem Gestein kamen, das bei Lava-Fontänen in die Länge zu Fasern gezogen worden war.
Am darauffolgenden Tag hatten ein paar Bauern beschlossen den Berg Kaldbakur, 8 km nördlich von Klaustur, zu besteigen, um einen möglichen Blick auf die Ausbruchsstelle zu erhalten. Sie berichteten, Lava würde in die Schlucht fließen und weit weg in größerer Entfernung hatten sie 20 Feuer-Fontänen gezählt, die hoch in den Himmel schossen!
In den letzten Junitagen drehte der Lavastrom nach Südosten und verschlang Weiden und Wälder und verwüstete Bauernhöfe und Kirchen. Vögel fielen tot vom Himmel und Fische trieben leblos in Flüssen und Seen. Die Erdbeben dauerten an und giftige Gase erfüllten die Luft zum Atmen. Trinkwasser war vom Schwefel ungenießbar geworden und Frischwasserbecken waren mit Asche verunreinigt.
Zwischen dem 13. und 19. Juli 1783 kam die Lava entlang des Flussbettes des Skaftá immer weiter nach Osten. Sie begann Klaustur und damit auch die Kirche von Jón zu bedrohen.
Sonntag, 20. Juli 1783. Seit 42 Tagen und Nächten hatte der Vulkanausbruch die Dorfbewohner von Klaustur bedroht und der Lavastrom war nicht gemäß ihrer Hoffnung zum Meer hinunter geflossen. Es wird über Jón berichtet, dass er eine wütende Predigt in seiner von der Lava bedrohten Kirche gehalten hatte. Der Lavastrom entete an dem Tag vor Klaustur und versiegte und Jón ging mit seinem Nicknamen »Feuer Priester« (Eldprestur) in die Geschichtsbücher Islands ein.
Diese erste Phase, ausgehend von einer Reihe von Vulkan-Schloten westlich des Berges Laki hatte am Ende die 200m tiefe und rund 60m breite Skaftá-Schlucht vollständig ausgefüllt. Die Lava war weit in das Flachland südlich von Klaustur eingedrungen und hatte über 60 km von der Ausbruchstelle zurückgelegt.
Die 2. aktive Ausbruchphase
Kurz nach der »Feuer-Predikt« von Jón bemerkte er am 24. und 25. Juli wieder eine feuriges Glühen am Himmel, das am 28. Juli mit Regen und Donnern erneutem Asche-Niederschlag einher ging.
Am 31. Juli 1783 wiederholte sich ein bekanntes Muster. Während der Skaftá westlich von Klaustur vorbeifließt, fließt im Osten ein anderer Fluss, der Hverfisfljót. Zwei Tage, nachdem die Gemeindemitglieder die Geräusche aus dem Nordosten gehört hatten, begann sich der Hverfisfljót zu erhitzen, bis er schließlich verdampfte.
Bereits am 3. August war auch dieser Fluss vollkommen ausgetrocknet. Am 6. August 1783 stürzte die sechste Lava-Flut den leeren Flusslauf hinunter, trat über die Ufer und verbrannte oder verschlang die Gehöfte, die sich ihr in den Weg stellten.
Am 1. und 10. September 1783 folgten die siebte und die achte Flutwelle.
Die neunte Lavaflut setzte Ende September ein. Der zehnte und größte Lavastrom im Flussbett des Hverfisfljót setzte am 25. Oktober ein und dauerte bis November 1783.
Als sich die Lava langsam von Osten näherte, befürchteten die Bewohner der Síða-Region rund um Klastur, dass sie bald eingeschlossen sein würden. Im Norden lag das Hochland, der Ursprungsort der Lava, im Westen die schwelenden Überreste der ersten Lavaströme, im Osten die geschmolzene Lava der letzten Lavaströme und im Süden die Küste; wer noch konnte, floh aus dem Gebiet.
Nach November 1783 nahm die Magmaproduktion erheblich ab. Im Dezember desselben Jahres schrieb Jón, dass »alle Flammen und der Glanz am Himmel abzunehmen begannen.«
Das neue Jahr 1784 begann mit milderem und ruhigerem Wetter, mit gelegentlich starkem Frost und Nordwind. Dennoch lag noch immer ein seltsamer Geruch in der Luft. Am 7. Februar 1784, dem offiziellen Enddatum der Eruption, sahen die Anwohner zum letzten Mal die Feuer der Laki-Spalte.
Das »Nachspiel«
Die vulkanischen und seismischen Aktivitäten im Grímsvötn-System, in den subglazialen Bereichen unter dem Vatnajökull, hörten auch am 7. Februar 1784 nicht auf. Die Bewohner der Síða-Region hörten weiterhin »rumpelnde Geräusche […] aus dem Untergrund des Gletschers«. Im Frühjahr 1784 gab es zwei große und schwefelig riechende Gletscherläufe (isländisch Jökulhlaup). Am Vulkan Grímsvötn ereigneten sich mindestens vier Ausbrüche, zwei vor und zwei nach dem Ende des Laki-Ausbruchs. Sie lösten zwar keine weiteren Lavaströme im Tiefland aus, belasteten aber das umliegende Gebiet mit weiterem Tephrafall. Die Jökulhlaup und die Geräusche des Vatnajökull deuten darauf hin, dass die vulkanische Aktivität am Grímsvötn unter dem Eis bis 1785 anhielt.
Das Enddatum dieser vulkanisch-tektonischen Episode am Grímsvötn war der 26. Mai 1785. Zwei weitere Jökulhlaups ereigneten sich im Mai 1785 und im November 1785: Der Ursprung des zweiten Jökulhlaups bleibt unklar.
Die Auswirkungen auf Island
Neben den direkten Folgen der Lavaströme hatte die Eruption hatte auch große Mengen an Gasen und Asche erzeugt. Die Gase, insbesondere das Fluor, vergifteten die Felder, Wiesen und Teiche.
Zwischen 1783 und 1785 verendeten 50 % aller Rinder, 79 % der Schafe und 76 % der Pferde sowie die Fische in den Teichen und andere Tiere.
In Island ist der Ausbruch auch wegen seiner Folgen in Erinnerung geblieben: Die Hungersnot des Nebels, oder Móðuharðindin. Da die isländische Ernährung zu dieser Zeit hauptsächlich auf Fleisch und Fisch basierte, waren die Folgen dieses Ausbruchs katastrophal. Bis 1785 starben etwa 20 Prozent der isländischen Bevölkerung an Hunger, Unterernährung oder Krankheiten.
Übersicht der beiden Lavaströme
Die nachfolgende Karte zeigt die Kraterreihe und beiden Lavaströme, die Klaustur in die Zange genommen haben. In der Karte vermerkt sind auch die ehemaligen Schluchten (gorge) der Flüsse Skaftá und Hverfisfljót.
Die Original-Karte ist von Thorvaldur Thordarson, Universität Island veröffentlicht worden. Vielen Dank, dass ich sie hier zur Illustration verwenden darf. Ich habe sie leicht verändert, um die beiden unterschiedlichen Lavaströme der zwei Ausbruchsphasen deutlich zu machen. Rot dargestellt die ersten Phase von Juni bis Juli 1783 und in Orange der Lavastrom aus der zweiten Phase von Ende Juli 1783 bis Februar 1784.